Nach einer kalten Nacht wurden wir morgens vom gackern der Hühner und Truthähne geweckt. Beim öffnen der Gardinen erwartete uns der erste Truthahn direkt auf einer Zaunlatte gegenüber von unserem Fenster und schien mindestens genau so interessiert daran was bei uns los ist, wie wir daran was er da macht. Es war bereits 9 Uhr und die Sonne versprach einen Tag mit gutem Wetter. Für das Frühstück mussten wir wieder in die große Scheune gehen. Den Weg dahin versperrte uns jedoch ein anderer, neugieriger Truthahn, der direkt vor unserer Tür wartete. Während Jan entspannt an ihm vorbei ging, hatte ich definitiv zu viel Angst (wie vor fast allem was Flügel hat) und ließ mich auch nur schwer überzeugen. Der Truthahn schien zu merken, dass er mich etwas ärgern konnte und folgte uns den gesamten Weg bis zur Scheune. Dort erwartete uns bereits die Katze von gestern Abend, die ebenfalls vor dem Frühstück gestreichelt werden wollte. Am liebsten wäre sie wohl wieder mit rein gekommen.
Zu unserer Überraschung war außer uns noch niemand wach. Wir hatten somit die sonnendurchflutete Scheune ganz für uns alleine und fingen an Bagel für das Frühstück und den Proviant für den Tag zu schmieren. Nach und nach trudelten jedoch auch die anderen Gäste ein und zum Frühstück saßen wir wieder am gleichen Tisch wie zum Abendessen. Diesmal sah uns jedoch nicht die Katze beim essen zu, sondern mein liebster Freund “Herr Truthahn”.
Unser Plan für den Tag war: raus in die Natur. Wir wussten nur noch nicht so ganz wohin genau wir wollten. Daher traf es sich gut, dass wir nach dem Frühstück die Vermieterin der Airbnbs trafen und sie uns verschiedene Punkte nannte, die sehenswert waren.
Wir entschieden uns für die Wasserfälle “Takakkaw Falls” mitten im Yoho Nationalpark. Diese sind mit dem Auto gut zu erreichen und bieten verschiedene Wanderrouten in der Nähe. Die Fahrt dauerte etwa 40 Minuten und führte uns überwiegend wieder über den großen Highway. Etwa 10 km vor dem Ziel verließen wir diesen jedoch und bogen auf die Straße in Richtung der Wasserfälle ab. Sie führte uns direkt Richtung Berge. Zwischendrin überquerten wir eine Brücke über einen Fluss gefüllt mit Gletscherwasser. Der Anblick war zu schön, um daran vorbei zu fahren. Deshalb hielten wir an, kletterten das Ufer runter zum Fluss und machten Fotos.
Auf dem weiteren Weg waren wir zunehmend beeindruckt von den gigantischen Felswänden die vor uns auftauchten. Eigentlich ja auch nur Berge und doch ganz anders als die, die wir kannten. Zusätzlich die lange, gerade Straße direkt durch den Wald. Bereits hier waren wir begeistert von der Natur, ohne dass wir unsere Wanderung auch nur begonnen hatten.
An den Wasserfällen angekommen wurde schnell deutlich, dass wir nicht die einzigen dort waren. Wir fanden trotzdem zügig einen Parkplatz und machten uns auf den Weg in Richtung der Wasserfälle. Anhand der Kleidung der meisten Leute war zu erkennen, dass sie nur für den kurzen Spaziergang zu den Wasserfällen hier waren und nicht zum wandern. Bevor wir zu unserer Wanderung aufbrachen nutzte Jan die Gelegenheit noch einmal die Toiletten zu nutzen. Während ich wartete überhörte ich eine Unterhaltung neben mir. Eine Frau erklärte ihrer Wandergruppe dass es schön zu sehen wäre, dass die Warnschilder für den Grizzlybären in der Gegend verschwunden wären. Die wären letzte Woche noch da gewesen, aber anscheinend wäre der Bär weiter gezogen. Sehr beruhigend kurz vor einer Wanderung mitten in die Berge…
Als wir uns den Wasserfällen näherten entschieden wir aufgrund der Menschenmassen zunächst die Wanderung zu machen und auf dem Rückweg bis nach vorne zu den Wasserfällen zu laufen. Das Ziel unserer Wanderung war der Yoho Lake auf der anderen Bergseite. Am Beginn des Wanderwegs standen erneut Warnschilder für Bären, allerdings von der allgemeinen Sorte. Dort wurde darauf hingewiesen, dass man nach Möglichkeit immer in Gruppen unterwegs sein sollte. Außerdem sollte man genügend Lärm machen, damit man nicht aus Versehen eine Bären beim futtern überrascht. Und es wäre hilfreich Bärenspray immer griffbereit zu haben. Letzteres besaßen wir nicht und hofften, dass wir es nicht bereuen würden.
Die Wanderung begann mit einem steilen Aufstieg. Zunächst hatten wir noch ein älteres Ehepaar vor uns, was aber offensichtlich ebenfalls deutsch sprach und uns mit den Worten: “Lassen wir die schnellen, jungen Leute mal vor.” an ihnen vorbei ließ. Danach begegneten wir immer wieder Leuten die uns entgegen kamen, ohne dass es übermäßig voll war.
Nachdem wir eine ausreichende Höhe erreicht hatten ging es am Berg entlang und endete schließlich am kristallklaren Yoho Lake. Das Wasser war so klar, dass man bis zum Grund sehen konnte.
Direkt am See gibt es auch einen der vielen wilden Campingplätze und zugehörig einige Picknicktische. Wir hatten unseren Proviant von morgens bisher aufgespart und freuten uns nun über die Stärkung mit Blick auf Berge und See. Gleichzeitig wurden wir dort jedoch auch wieder an die Bären erinnert. Zugehörig zum Campingplatz gibt es eine Art Fahnenstange, an deren oberen Ende ein Kreuz festgemacht ist, dass vier Punkte mit Seilen bietet. Es wird dazu genutzt die Vorräte der Camper dort oben zu befestigen. Damit ist es außerhalb der Reichweite der Bären und lockt diese auch nicht in die Zelte.
Vom See aus hätten wir entweder den gleichen Weg zurück laufen können oder aber den Rundweg weiter. Der Haken am Rundweg war, dass wir mit dem See noch nicht die Hälfte geschafft hatten. Weder an Strecke noch an Höhenmetern. Da es jedoch auch langweilig wäre die gleiche Strecke doppelt zu laufen, begannen wir den weiteren Aufstieg.
Wir wurden nicht enttäuscht! Nachdem wir die Baumgrenze hinter uns gelassen hatten bot sich ein fantastischer Blick auf den gegenüber liegenden Berg, den dort befindlichen Berg sowie den uns bis dahin verborgenen Gletscher. Die Wanderung ging eine ganze Zeit oberhalb der Baumgrenze durch Geröllfelder und der Ausblick auf den Wasserfall wurde dabei nur noch besser.
Am äußersten Punkt der Wanderung angekommen führte uns der Weg wieder den Berg hinunter, bis wir auf unseren ursprünglichen Weg trafen und die letzten Höhenmeter hinter uns ließen. Nach insgesamt 14 km und 500 HM kamen wir erneut bei den Wasserfällen an. Zu der nun etwas fortgeschrittenen Uhrzeit war dort weniger los, auch wenn uns beständig Leute begegneten.
Der Takakkaw Fall ist mit einer beeindruckenden Höhe von 381,1m der zweithöchste Wasserfall in Westkanada. Gespeist wird er vom Daly Gletscher in den Rocky Mountains, den wir zuvor bereits oben auf dem Berg sehen konnten. Hier unten aus dem Tal ist er jedoch nicht zu erahnen. Je näher wir dem Wasserfall kamen, umso kälter wurde es. Das Wasser rauscht mit beeindruckender Kraft den Feld herunter und macht zusätzlich alles in der Nähe durch den Sprühregen nass. Trotzdem lohnte sich der Weg bis vorne hin.
Erschöpft vom langen Tag waren wir froh, als wir nach fünf Stunden wieder das Auto erreichten. Auf dem Weg zurück zum Highway hielten wir noch an einem Aussichtspunkt für einen der Spiral Tunnels. Dabei handelt es sich um Tunnel für Züge die vor vielen Jahren gebaut wurden. Sie dienen dazu, die Höhendifferenz für die Züge einfacher überwindbar zu gestalten. Dazu führt ein Tunnel tief in den Felsen und dann in einem Kreis wieder nach vorne. So schraubt sich der Zug in dieser Spirale langsam nach oben. Leider hatten wir gerade einen Zug verpasst und konnten so nur den Tunnel im Fels erahnen.
Ebenfalls einen kurzen Abstecher machten wir in “Kicking Horse River Valley” zur “Natural Bridge”. Dort ist durch die Abrasion durch den Fluss der immer wieder kleine Steine und Sand mitbringt eine natürliche Brücke durch Felsen entstanden. Der Fluss frisst sich nach und nach durch den unteren Teil der Felsen. Spannend zu sehen, was für eine Macht die Natur hat und welche Wege sich das Wasser über die Zeit sucht.
Wir fuhren den Berg noch weiter hinauf und gelangten an den Emerald Lake. Der See ist wie direkt aus einem Instagram Bild. Kristallklar, spiegelglatt und türkisblau. Auf einer kleinen Insel im See ist das Hotel “Emerald Lake Lodge” angesiedelt. Rustikal vom aussehen aber edel gestaltet und mit über $200 pro Nacht auch nicht gerade ein Schnäppchen. Leider kam uns auch am See der Rauch durch die Waldbrände wieder etwas in die Quere. Die Berge im Hintergrund versteckten sich etwas hinter dem Dunst den der Rauch verursachte und waren daher nur in ihren Umrissen zu erkennen.
Auf dem Rückweg zur Unterkunft machten wir einen kurzen Abstecher in die Stadt von Golden um Lebensmittel für das Abendessen zu besorgen. Beim Abendessen hatten wir erneut die Scheune für uns alleine und genossen die Ruhe bevor wir nach einer warmen Dusche erschöpft ins Bett fielen und damit bereits die letzte Nacht in Golden verbrachten.
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