Da war er also: Der Tag an dem die Quarantäne endet und die Freiheit beginnt. So verrückt es auch klingen mag, aber es ist ein wirklich komisches Gefühl. Man ist seit zwei Wochen in einem Land aber eigentlich weiß man überhaupt nicht wo man ist. Wir hatten uns mit Kwan für den Tag verabredet. Außerdem war ein Plan, der seit Beginn der Quarantäne feststand: Supermarkt besuchen.
Pünktlich zum offiziellen Ende der Quarantäne, um kurz nach zwölf, kam Kwan bei uns vorbei. Er hatte uns beiden einen kleinen Apfelsaft, Karten für die Öffis und Masken mitgebracht. Damit ausgestattet ging es los in das Abenteuer Seoul. Als ersten zum Bus um zu einem Supermarkt in der Nähe zu fahren. Bei den Bussen ist das System, so wie in z.B. den Niederlanden auch, so, dass man beim Einsteigen und Aussteigen seine Karte vor ein Lesegerät hält und dann entsprechend bezahlt wird. Dazu wird die Karte zuvor mit Geld aufgeladen. Die Busse bieten sehr viel Platz und sind gut klimatisiert. Auf dem Weg zum Laden kamen wir auch das erste Mal an “unserer” Uni, der Hongik University vorbei.
Der Einkaufsladen wirkte zunächst riesig und unglaublich weiß (das kommt dabei rum, wenn man nicht genau weiß, wie man seine Eindrücke in Worte fassen soll). Breite Gänge, sehr aufgeräumt und an jeder Ecke Mitarbeiter. Das Angebot umfasste alles, von Fisch über Fleisch zu Dingen, die uns sehr bekannt vor kamen: Heinz Tomatenketchup. Sehr schnell stellten wir jedoch auch fest, dass vor allem Gemüse und Obst sehr teuer ist. Nachdem wir dort vor allem einige Grundlagen (Reis, Haferflocken, Milch,…) und die besonders wichtigen Dinge (Eis ^.^) geholt hatten ging es zurück zur Wohnung um diese zu verstauen.
Dort überkam uns langsam aber sicher der Hunger. Wir wollten gerne etwas typisch koreanisches probieren und baten Kwan darum, mit uns zu einem Restaurant zu gehen, wo man als Tourist vielleicht nicht rein gehen würde, es aber für Koreaner ganz normal ist. Auf dem Weg dorthin kamen wir an verschiedenen anderen Restaurants vorbei.
Bei einem dieser standen vor der Tür zahlreiche Becken mit Fischen. Ich hielt es zunächst für einen Fischladen. Jedoch kann man sich dort den lebendigen Fisch aussuchen, der einem anschließend serviert wird.
Über einige Querstraßen drüber landeten wir dann in einem Restaurant wo es Hühnersuppe gab. Klingt zunächst etwas unspektakulär, war es aber ganz und garnicht.
Sobald man sich setzt bekommt man Wasser und Becher an der Tisch. Außerdem gab es für jeden zwei Schüsselchen, eines mit Salz und eines mit koreanischer BBQ Sauce, 쌈장 [ssam jang], auf Basis von fermentierten Sojabohnen. Außerdem gab es zwei Töpfe mit Kimchi, eingelegter Weißkohl mit Chili. Von der Schärfe konnte sogar ich diesen tolerieren, auch wenn ich merke, dass es etwas brennt im Mund.
Kurze Zeit später bekamen wir drei Töpfe auf den Tisch, jeweils mit dem gleichen, noch sprudelnd kochenden, Inhalt. Hühnersuppe bedeutet hier, es gibt heiße Brühe, in der ein ganzes Huhn ist, gefüllt mit Reis. Es roch nicht nur sehr gut, es schmeckte auch unglaublich lecker. Nur mit den Stäbchen hatte ich für meinen Teil, noch immer zu kämpfen.
Gestärkt ging es weiter. Das Ziel war diesmal das Rathaus von Seoul. Dazu liefen wir zur nächsten U-Bahn Station “Hongik Station”. Hier muss man seine Karte ebenfalls wieder auf ein Lesegerät legen um zur Bahn zu kommen.
Der Bahnsteig ist jedoch von den Gleisen durch eine Glaswand getrennt. Wenn ein Zug hält öffnen sich erst die Türen auf dem Bahnsteig und man kann in den Zug einsteigen. Dadurch wird verhindert, dass Leute auf die Bahnsteige stürzen.
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Zusätzlich liefen in den U-Bahnstationen Anzeigen, mit Verhaltenshinweisen zu Corona.
Die U-Bahn ist sehr groß und hat lediglich außen Sitzplätze. Diese werden auch alle genutzt, wenn entsprechend viele Menschen in der Bahn sind. Widerspricht an dieser Stelle natürlich etwas den ganzen Coronasorgen, die die Koreaner sonst haben.
Am Ziel angekommen stiegen wir aus und standen vor einem Schrank mit Gasmasken. Wozu diese so genau da sind, konnte uns Kwan nicht erklären. Er vermutete für den Fall, dass es brennt. Er erzählte uns jedoch, dass die U-Bahnhöfe auch als Bunker gedachte sind, für den Fall, dass irgendetwas passiert.
In wenigen Minuten standen wir bereits am Seoul Plaza. An dessen Seite steht der Deoksugung Palace. Dieser ist einer von fünf Palästen in Seoul welcher im 15. Jahrhundert gebaut wurde und einer der Hauptschauplätze der Joseon Dynastie war.
Ursprünglich nicht als Palast gebaut wurde er ab 1611 ab Palast genutzt. 1904 wurden in einem Feuer während der Übernahme von Korea durch Japan die meisten Gebäude zerstört. Nur etwa 1/3 der ursprünglichen Gebäude wurde wieder aufgebaut. Das besondere ist, dass es dort auf dem Gelände neben traditionellen Gebäuden auch einige westlich aussehende Gebäude gibt. Diese wurden durch die Japaner gebaut. Für uns spannender waren natürlich die traditionellen Gebäude. Diese sind unter dem Dach sehr bunt bemalt.
Auch innen gibt es an den Decken bunte Bilder.
Zusätzlich stehen noch Teile der alten Mauer, mit teilweise sehr niedrigen Türen. Uns wurde erklärt, dass diese dazu da sind, die Menschen die sie durchquerten dazu zu zwingen, sich zu verbeugen.
Was uns dort, wie auch in der restlichen Stadt auffiel war, wie wenig Leute unterwegs sind. Auch so gehen viele Koreaner im Moment überhaupt nicht vor der Tür. Unser Eindruck ist jedoch, dass es im Vergleich zu Deutschland, wirklich gut vertretbar ist, draußen herum zu laufen, da alle Masken tragen, alles und überall permanent geputzt wird (in der U-Bahn, Supermärkte, Restaurants,…) und auch Abstand zu anderen gut eingehalten werden kann.
Nach dem Palast überquerten wir eine der großen Straßen die durch Seoul führt. Nach links konnten wir bereits die Statur von Admiral Yi Sun Shin und dahinter den Gyeongbokgung Palast sehen. Das ist der größte der fünf Paläste in Seoul. Hinter diesem liegt das “Blaue Haus” in dem der Präsident wohnt. Der Palast steht noch auf der Liste der Dinge, die wir irgendwann ansehen wollen.
Auf der anderen Seite der Straße steht man auf dem Seoul Platz vor dem bekannten Schild “I SEOUL YOU”. Wie auch auf anderen Reisen zuvor (Philadelphia, Monterrey, Mexiko City) gehört ein Foto mit dem Schild zum Pflichtprogramm.
Von dort liefen wir weiter Richtung Osten der Stadt und kamen zufällig am “Lotte Department Store” vorbei. Einem riesigen Kaufhaus wo es alles gibt von Schmuck und Kosmetik über Betten und Sofas bis Elektronik. Es gab mal eine Regelung, dass man vor einem Gebäude Kunst bauen muss, wenn es eine bestimmte Anzahl Stockwerke überschreitet. Dies galt auch für das Kaufhaus.
Dabei gibt es auch viel neue Technik zu sehen. So gab es unter anderem einen Schrank, der zunächst wie ein Kühlschrank wirkt. Bei genauerem hinsehen ließ sich jedoch erkennen, dass es ein Schrank zum Dry-Cleaning war.
Außerdem gab es einen ganzen Tunnel mit Fernsehern, deren Auflösung so gestochen scharf war, dass man den Eindruck hatte, dass alles um einer herum echt war.
Ein weiterer Fernseher hing ein Stück weiter an der Wand. Der ist nur etwa einen halben Finger dick und riesig. Kostenpunkt allerdings auch 12.800,00€. Nachdem auch noch Reiskocher bestaunt wurden ging es weiter.
Gleich um die Ecke von dem Einkaufsladen befindet sich der Cheonggyecheon Fluss. Ein künstlich angelegter 11km langer Wasserlauf durch die Stadt, welcher am Ende im großen Han River mündet. Diesen sind wir ein Stück entlang gelaufen bis zur Quelle. Das Wasser ist so klar, dass man kleine Fische im Wasser sehen kann. An einer Stelle stand auch ein Fischreiher im Wasser auf der Suche nach eben diesen.
Von dort ging es zurück zur großen Straße, nun ein ganzes Stück näher an der Statur.
Wir beschlossen, dass es langsam Zeit wurde in den Stadtteil Hongdae zu fahren. Dieser ist benannt nach der Hongik University welche sich dort befindet und ist bekannt für ein sehr buntes Nachtleben. Wir wollten dort vor allem Abendessen. Dazu mussten wir zunächst bis zur U-Bahn zurück laufen. Dabei kamen wir an einer Bushaltestelle vorbei, wo die Menschen alle ordentlich in einer Schlange standen und auf den Bus warteten. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick für uns.
Und es soll noch mal jemand sagen, dass die Deutschen nur auf ihr Handy gucken. Derjenige war definitiv noch nie in Korea.
Da der Hunger (außer bei Dominik) noch nicht so sehr groß war beschlossen wir, in Hongdae angekommen, zunächst noch einen Supermarkt anzugucken der direkt dort war und etwas näher an unserer Unterkunft liegt. Dieser ist, wie vieles in Seoul, in den Untergrund gebaut. Verglichen mit dem ersten Supermarkt morgens erinnerte mich dieser deutlich mehr an einen normalen Supermarkt, abgesehen von den 20kg Säcken Reis die es dort gab.
Zudem war er noch etwas günstiger und hatte mehr Auswahl. Ich hätte vermutlich Stunden dort zubringen können, einfach nur um alles anzusehen was es gab. Die anderen beiden waren aber irgendwann fertig und hatten noch einige Kleinigkeit gefunden die sie besorgen wollten, weshalb ich eine ausgiebige Tour durch den Supermarkt auf den nächsten Tag verschob.
Die Location für das Abendessen lag nur wenige Minuten zu fuß entfernt von dort. Es sollte traditionelles koreanisches BBQ geben. Dabei ist jeder Tisch mit einem eigenen kleinen Grill und zugehörigem Abzug ausgestattet.
Es gibt zahlreiche Soßen (etwas mit Knoblauch, etwas scharfes, etwas mit Soja,…), eingelegtes (Peperoni, Gurke,…) und natürlich Kimchi in verschiedenen Varianten. Außerdem Pajeori (Salat aus geschnittenen Frühlingszwiebeln) und Ssamjang, der koreanischen BBQ Sauce. Es ist üblich, dass man ein Blatt Salat nimmt, darin ein stück Fleisch und etwas der Sauce einwickelt und es dann isst. Ssam bedeutet verpackt/eingewickelt und Jang bedeutet Paste bzw. dickflüssige Sauce. Also ist Ssamjang eingewickelte Sauce.
Man kann von einer Karte wählen, was man an Fleisch haben möchte. Meisten gibt es die Wahl zwischen Schwein, Rind und Huhn. Wir entschieden uns für Schweinenacken und Schweinebauch. Daraufhin werden große Stücke Fleisch gebracht und auf den Grill gelegt. Sobald diese angebraten sind werden sie mit einer Schere in mundgerechte Stücke geschnitten und fertig gebraten.
Außerdem gab es noch einen Pils und auch Kimchi landete auf dem Grill. Nachdem ich zu beginn nicht den großen Hunger hatte war ich am Ende die einzige die noch immer am essen war. Ob dies nun tatsächlich an den Mengen lag die ich gegessen habe oder aber ob ich einfach mehr mit den Stäbchen zu kämpfen hatte sei an dieser Stelle einfach mal dahin gestellt. Es war auf jeden Fall sehr lecker und ich kann nun gut verstehen, warum mir in Deutschland schon so viele Leute davon vorschwärmten.
Nach dem Essen wollten wir nicht mit dem Bus zurück zur Wohnung fahren, sondern lieber laufen, damit wir noch ein bisschen etwas sehen. Dabei ließen wir uns einfach von dem leiten was wir sahen. Wenn es spannend aussah in einer Richtung liefen wir dorthin. Dabei kam wir zufällig an einem Laden vorbei, welcher Dumplings verkaufte. Die Bilder die dort hingen, kamen uns seltsam vertraut vor. Es stellte sich heraus, dass dies genau der Laden war, wo wir in den vergangenen Tagen zahlreiche Male Essen bestellt hatten. Verrückt wenn man dann auf einmal davor steht.
Weiter ging es durch bunt beleuchtete Straßen, bis dass wir uns mitten in Hongdae befanden. Das Viertel ist bekannt für viele künstlerische Einflüsse. Am Wochenende spielen dort häufig Straßenmusiker und es gibt eine Straße, welche komplett bemalt ist und daher auch unter dem Namen “Picasso-Street” bekannt ist.
Irgendwann machten sich dann doch die Müdigkeit bemerkbar. Es waren den ganzen Tag 30°C bei 95% Luftfeuchtigkeit gewesen. Daher entschieden wir uns ab dort den direkten Wegen zurück zu wählen. Wir verabschiedeten uns von Kwan, der uns den ganzen Tag begleitet hatte und uns sehr gut geholfen hatte, uns in der Stadt zumindest ein bisschen zurecht zu finden.
Zuhause wollten wir eigentlich nach einer dringend nötigen Dusche nur noch schlafen, aber der Kopf hatte vom Tag noch so viel zu verarbeiten, dass es nicht ganz so schnell ging. Es war trotzdem ein tolles Gefühl endlich wieder raus zu können!
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