Eine neue Reise beginnt. Es geht, relativ kurzfristig, für 4 Monate nach Kanada. Diesmal begleitet mich Jan. Wir sind für die Zeit in Hamilton, ein Ort zwischen Toronto und den Niagarafällen im Osten von Kanada. Jan wird dort seine Abschlussarbeit schreiben bzw. dafür forschen, während ich an einem Forschungsprojekt arbeite, was parallel in Deutschland läuft. Beides findet an der McMaster University statt.
Das erste Mal angestoßen wurde die Idee im Juni. Ende Juli, während ich gerade in Mexiko unterwegs war, haben wir die Flüge gebucht. Die Suche nach einer Unterkunft war die größte Herausforderung. AirBnB erwies sich schnell als sehr kostspielig. Dort kostet ein einfaches Zimmer schnell um die 1500€ pro Monat. Die Studentenwohnheime hatten längst alle Plätze vergeben und auch die Suche in Facebook Gruppen erwies sich als schwierig. Irgendwann fanden wir etwas auf der Kanadischen Website „Kijiji“ welche ähnlich ist zum deutschen „Kleinanzeigen“. Es war lediglich ein Foto eines Zimmers zu sehen und eine Telefonnummer angegeben. Da mir ein Telefonat nach Kanada zu teuer war schrieb ich lediglich eine Mail, nicht damit rechnend, dass ich je eine Antwort bekommen würde, ähnlich wie die Male zuvor. Diesmal meldete sich der Vermieter jedoch bereits wenig später per Anruf über WhatsApp bei mir. Er sagte, dass das Zimmer aus dem Foto leider bereits vergeben war, er uns aber ein anderes anbieten könnte. Er würde uns Fotos schicken und falls uns das Zimmer zusagen würde bräuchte er nur meinen Namen um den Mietvertrag fertig zu machen du die Kaution sowie die erste und letzte Miete. Kosten sollte es $900, was etwa 700€ sind, also deutlich weniger als vergleichbare Zimmer auf AirBnB. Trotzdem kam es mir etwas komisch vor, dass er so drängend war. Die Fotos sahen aber sehr gut aus und er sagte uns, dass er auch noch einen Schreibtisch und eine Kommode besorgen würde, damit das Zimmer fertig eingerichtet ist.
Wir entschieden, ihn den Mietvertrag fertig machen zu lassen, da wir ohne die Überweisung der Mieten und der Kaution noch nichts fest hatten. Als der Mietvertrag am nächsten Tag kam, entschied ich noch den Namen des Vermieters, sowie die Adresse des Hauses zu Googlen einfach nur um sicher zu gehen, dass es sich nicht um einen Betrüger handelt. Jan lachte noch über mich. Als ich mich aber wenig später wieder bei ihm meldete und ihm erzählte, dass das Haus an der Adresse auf mehreren Websites zum Verkauf steht und auch die Fotos identisch sind mit denen die der Vermieter uns geschickt hat, lachte er nicht mehr. Das Ganze kam mir sehr seltsam vor. Ich fragte nach und der Vermieter erklärte, dass er das Haus im Februar als Investition gekauft hätte und es jetzt wieder verkaufen wollte, der Immobilienmarkt aktuell jedoch so schlecht wäre, dass er nicht das gewünschte Geld dafür bekäme und er es deshalb im Moment vermietet. Die Erklärung erschien zunächst mal logisch, trotzdem blieb ein komisches Gefühl. Ich entschied eine der Maklerseiten willkürlich anzuschreiben und zu fragen ob das Haus tatsächlich noch zu verkaufen wäre. Nach einigem hin und her bekam ich eine Antwort einer sehr netten Maklerin. Noch einige E-Mails später erklärte ich ihr, dass es mir nicht wirklich darum ging das Haus zu kaufen, mir jedoch dort ein Zimmer zur Miete angeboten worden war. Ich fragte, ob sie mir bestätigen könnte, dass der Name des Verkäufers XY ist und somit mit dem des Vermieters übereinstimmt. Sie versprach bei der verantwortlichen Makleragentur nachzufragen. Gleichzeitig bot sie an, sich mal umzuhören ob sie etwas anderes finden würde, da sie bis vor kurzem für eine Agentur gearbeitet hatte, die Unterkünfte an internationale Studierende vermittelt (Spoiler an dieser Stelle: die Agentur vermittelte Gastfamilien und nimmt dafür Geld. Wir wollten gerne unabhängig von einer Familie wohnen und nicht noch für die Vermittlung bezahlen). Parallel zu den Bemühungen der Maklerin durchsuchte ich das Internet nach weiteren Hinweisen ob es eine gute Idee wäre das Zimmer zu mieten oder nicht. Nach fünf Tagen fragte ich zusätzlich meinen Professor, der ebenfalls noch einmal nach dem Namen suchte. Er konnte dabei zumindest herausfinden, dass der Vermieter mit dem Namen eine echte Person ist. Am gleichen Abend bekam ich eine Mail der Maklerin, die mir bestätigte, dass die Namen die gleichen waren. Trotzdem wies sie darauf hin, dass ihr das ganze komisch vorkam. Wir beschlossen, dass wir von außen genug Informationen hatten um davon auszugehen, dass der Vermieter tatsächlich der Vermieter war. Ein kurzes Videotelefonat mit ihm am nächsten Tag sollte die letzten Zweifel ausräumen. Er hatte während der Woche bereits mehrfach gefragt und gedrängt, wo das Geld bleiben würde und wann wir bezahlen würden. Im Telefonat war er jedoch sehr nett. Er sagte uns, dass das ursprüngliche Zimmer leider inzwischen vermietet sei, er jedoch noch ein kleineres hätte. Dieses war von den Fotos leider tatsächlich sehr klein, jedoch wirkte das restliche Haus so groß, sauber und neu, dass wir darüber hinwegsehen konnten und sagten zu. Wir machten die Überweisung fertig und hatten damit endlich eine Unterkunft gefunden.
Nur wenig später verabschiedeten wir uns von Freunden und Familie, packten unseren Koffer und der Abreisetag war gekommen.
Am 7.9. stiegen wir morgens um kurz nach sieben Uhr in Wuppertal in den ICE und fuhren nach Frankfurt zum Flughafen. Jan hatte (vielleicht auch etwas übervorsichtig) einen Zug gewählt, mit dem wir mehr als vier Stunden vor Abflug am Flughafen ankamen. Dort mussten wir noch mit dem Bus zu Terminal 3 fahren und dann ans andere Ende laufen um den Check-In Schalter zu finden. Es war sehr wenig los und da bisher nur der Schalter für Premium Kunden geöffnet war, stellten wir uns in die kurze Schlange und warteten. Und warteten. Nach über einer Stunde, der erfolgreichen Suche nach einem Briefkasten und einem Plausch mit meinem Büro öffnete der Schalter und wir konnten endlich unsere Koffer abgeben.
Da der erste Flug nach Island und damit innereuropäisch ging, mussten wir durch keine Passkontrolle. An der Sicherheitskontrolle war ebenfalls nichts los und wir konnten so durchlaufen. Am Gate angekommen waren es noch fast zwei Stunden bis zum Abflug. Da in keinem der beiden Flüge etwas zu essen enthalten war, hatten wir Proviant eingepackt, von dem der erste uns nun als Frühstück diente.
Kurz nach dem Start bekamen wir eine letzte Gelegenheit uns von der Heimat zu verabschieden, als wir zunächst über Köln und Düsseldorf und später noch über meine zweite Heimat Petten in Holland flogen. Der Anflug auf Island war beeindruckend, da wir einige Zeit parallel zur Insel flogen und die Landschaft, sowie einen Vulkan sahen.
Da wir uns unterwegs etwas Verspätung eingehandelt hatten und nun auf dem Rollfeld ankamen, war die Zeit für unseren Umstieg knapp bemessen. Zu unserem Glück ist der Flughafen in Keflavik relativ klein. Lediglich die Schlange an der Passkontrolle bereitete uns etwas Sorge. Nach einer kurzen Unterhaltung mit einer Mitarbeiterin kamen uns unsere europäischen Pässe sehr zu Gunsten, da wir an der langen Schlange vorbei direkt zur elektronischen Passkontrolle laufen konnten. So erreichten wir rechtzeitig unser Gate für den Flug nach Toronto.
Toronto erreichten wir pünktlich auf die Minute, sodass wir genug Zeit hatten um zum Bus nach Hamilton zu kommen. Dachten wir… Die Einreise verlief ebenfalls problemlos. An einem elektronischen Schalter scannten wir unseren Reisepass und durch das zuvor beantragte ETA-Visa bekamen wir einen Ausdruck, den wir kurz vorzeigen mussten und dann direkt mit der Kontrolle durch waren. Ganz ohne den erhofften Stempel im Pass.
Das Gepäckband für unseren Flug war schon angeschlagen und nach einiger Wartezeit fing dieses tatsächlich an zu laufen und es kamen Koffer. Unsere jedoch nicht. Nach einigen Beobachtungen stellte ich fest, dass auch sonst niemand aus unserem Flug sein Gepäck bekam. Bei einem Blick auf die Tafel am Band sah ich, dass dies Koffer von einem Flug aus London waren und unser Flug angeblich schon fertig wäre. Neben dem Band standen tatsächlich zahlreiche Koffer, allerdings kamen diese nicht aus Island.
Am Schalter von Islandair bekam ich die Antwort, dass die Probleme beim Entladen des Flugzeugs hätten, dass Gepäck aber in einer dreiviertel Stunde ungefähr kommen würde. Damit würden wir in jedem Fall unseren Bus verpassen. Aber ohne Gepäck fahren war ebenfalls keine Option, da wir Teile daraus für den nächsten Flug nur zwei Tage später brauchten. Also warteten wir. Es verging eine Stunde, dann zwei. Auf weitere Nachfragen wurden wir immer um eine halbe Stunde vertröstet. Inzwischen hatten sich die Passagiere von dem Flug versammelt und einige wurden richtig unfreundlich. Wir warteten eine weitere Stunde. Inzwischen war es nach 22 Uhr, wir hatten Hunger, waren müde und wollten einfach nur ins Bett. Zu diesem Zeitpunkt wurde es bereits knapp, dass wir den letzten Bus nach Hamilton bekommen würden. Wir hatten auch keine Lust mehr uns das Chaos in der Gepäckausgabe anzusehen. Aus mangelnder Funktionalität waren dort Menschen angestellt, nur um das Gepäck von den Bändern zu holen und daneben abzustellen. Und unbequem wurde es auf dem Rand der Gepäckbänder auch, aber in Ermangelung richtiger Stühle war dies auch der einzige Ort zum Sitzen. Noch eine weiter Stunde später kam endlich die Durchsage, dass unser Gepäck jetzt kommen würde. Zusammen mit dem Gepäck vom späteren Flug aus Island, der vier Stunden nach uns gelandet war. Es wurde darauf verwiesen, dass alles an Gepäck auf Band 6 ankommen würde. So liefen alle dorthin, die Menschen vom späteren Flug von ihrem eigentlichen Band 8. Das Band fing an zu laufen und es kamen tatsächlich Koffer. Nachdem ich sogar meinen Koffer fand, hatte ich doch wieder Hoffnung, dass wir vielleicht irgendwann an diesem Abend den Flughafen noch verlassen würden. Jans Koffer fehlte jedoch noch. Irgendwann kamen keine Koffer mehr, obwohl noch viele Menschen warteten und das Band hielt an. Dafür fing Band 8 an zu laufen und dort kamen Koffer. Als wechselten alle zum anderen Gepäckband. Nach einigen Minuten fing plötzlich auch Band 6 wieder an zu laufen und es kamen dort Koffer. Verständlicherweise kamen sich alle etwas verkaspert vor… Auf Band 6 tauchte dann auch endlich Jans Koffer auf.
Ein Blick auf die Uhr verriet uns leider, dass wir den letzten Bus um 10 Minuten verpasst hatten (plus die Zeit zum anderen Terminal und dann zur Haltestelle zu kommen). Daher fragten wir erneut am Infoschalter nach, was wir tun sollten. Sie sagten uns, dass wir per Taxi zu unserem Ort fahren und später die Rechnung bei Islandair einreichen sollten. Wir buchten also einen Uber (in der Hoffnung, dass es später tatsächlich erstattet wird, da der 85€ statt der 20€ Bus kostet) und fuhren zur Adresse des gebuchten Zimmers.
Die 40 Minuten Fahrt kamen uns endlos vor und wir schliefen beide immer wieder kurzzeitig an. Kurz bevor wir das Ziel erreichten fuhren wir an einer riesigen Stahlfabrik vorbei. Vor dem Haus angekommen sah es aus wie auf den Fotos. Der Code für die Tür funktionierte ebenfalls. Damit endete dann aber auch der gute Eindruck des Hauses.
Als wir die Tür öffneten kam uns bereits ein Geruch entgegen wie in einem indischen Restaurant. Ich esse sehr gerne indisch, aber der Geruch hier erinnerte an kein leckeres Essen. Die Küche direkt gegenüber dem Eingang hatte wild blinkendes LED-Licht und rechts von uns flackerte ein künstlicher Kamin. Alles wirkte chaotisch und überall lag etwas herum. Wir beschlossen zunächst einen Blick in unser Zimmer zu werfen und dann die Koffer die Treppe hinauf zu tragen. Oben an der Treppe angekommen begegneten wir Brian, ebenfalls Student und Mitbewohner im Haus. Wir wechselten nur ein paar kurze Sätze. Mir kam es auch oben im Flur sehr chaotisch und dreckig vor. An den Wänden hingen schief Bilder und auf dem Boden lag ein Staubsauger und ein Besen. Wir betraten unser Zimmer und hätten am liebsten sofort wieder umgedreht, wären weggelaufen und nie wieder gekommen. Auch hier war es unfassbar dreckig. Auf dem Boden, den Fenstern und an den Wänden. Das war wir zunächst für einen Kleiderschrank gehalten hatten war die Abstellkammer für Waschmaschine und Trockner. Waschmaschine und Trockner für alle im Haus wohlgemerkt. Privatsphäre wird wohl überbewertet, trotz Schloss an der Zimmertür. Das mit Abstand schlimmste, neben leeren Pappkisten und einer kaputten, zerfledderten Jalousie, war jedoch das Bett. Die beiden Matratzen hatten ihre besten Zeiten schon sehr lange hinter sich und sahen aus wie nach drei Tagen Regen vom Sperrmüll eingesammelt. Übersäht mit Flecken und wirklich eklig.
Zusätzlich war das Bettgestell darunter viel zu schmal für die jeweilige Matratze und in der Mitte wäre man einfach mit der Matratze abgesackt. Wir wussten, dass es keine Bezüge und keine Decke geben würde, weshalb wir (zum Glück) ein eigenes Spannbettlaken eingepackt hatten. Eine Decke wollten wir am nächsten Tag beim Ikea holen und für die erste Nacht improvisieren. Nach diesem Anblick wollten wir jedoch eigentlich nichts mehr in diesem Haus tun. Es war jedoch fast 1 Uhr und damit viel zu spät für einen Umzug.
Stattdessen sahen wir uns weiter im Haus um. Das Badezimmer machte leider nicht viel Hoffnung. Eine völlig verdreckte, verkalkte Dusche und Löcher in der Decke. Unten im geteilten Wohnbereich ging es weiter. Das Sofa im Wohnzimmer komplett durchgesessen und fleckig (auch vom Sperrmüll?) und die Küche so dreckig, wie ich selten eine Küche gesehen habe. Aus Gewohnheit hatten wir an der Tür die Schuhe ausgezogen und auf Socken wollte ich die Küche definitiv nicht betreten. Am Esstisch stand nur noch ein einzelner Stuhl und in einer Ecke des Wohnzimmers war eine Ansammlung von Zeug (gibt es bei Indern Altare?). Ein weiteres Zimmer dahinter (ein Durchgang zum Garten) war ebenfalls bereits mit einem Bett ausgestattet. Das dort angeschlossene Badezimmer wurde in den letzten Jahren auch nicht einmal geputzt).
Brian der ebenfalls noch im Erdgeschoss unterwegs war erzählte uns, dass es heute noch viel schlimmer im Haus ausgesehen hatte, dass aber jemand da war zum sauber machen. Die Leute verstehen unter sauber machen aber wohl etwas anderes, denn alleine einmal zu saugen hätte Wunder bewirkt. Wir hatten entschieden genug gesehen und beschlossen nur diese eine Nacht dort hinter uns zu bringen und am nächsten Tag etwas anderes zu suchen.
Für das Bett legten wir die etwas weniger eklige Matratze auf die andere, deckten sie mit einem halbwegs sauber wirkenden Laken ab, bevor wir unser Spannbettlaken darüber machten. Als Decke dienten uns zwei Handtücher und die Erschöpfung von 26 Stunden Reise sorgten dafür, dass wir umgehend einschliefen.
Kerstin Gebhardt
Habe mich natürlich sofort registriert.
Ich bin ja schon ganz gespannt was ihr dort erlebt.
Liebe Grüße
Dagmar
Wenn einer eine Reise tut …
Jetzt erstmal Urlaub Und “Bruchlandung” vergessen. 🙂